
Unser letztes Treffen der Lipödem-Selbsthilfegruppe war etwas ganz Besonderes: Wir hatten die große Ehre, Prof. Dr. Tim Hucho, Schmerzforscher an der Uniklinik Köln, und seine Frau Helene Hucho, Resilienz-Trainerin und Coach, bei uns zu Gast zu haben. Gemeinsam begleiten die beiden mit ihrem Unternehmen „Hirnleuchten“ Menschen in Veränderungsprozessen. Sie nahmen sich zwei Stunden Zeit, um mit uns über die neuesten Erkenntnisse zur Forschung bei Lipödemschmerz zu sprechen – und über Wege, wie wir selbst im Alltag mit unseren Schmerzen umgehen können.
Schon nach wenigen Minuten war klar: Dieser Abend wird uns lange im Gedächtnis bleiben.
Schmerzforschung trifft Lipödem – Einblicke von Prof. Dr. Tim Hucho
Prof. Hucho leitet die weltweit erste Forschungsgruppe, die den Lipödemschmerz systematisch untersucht. Allein diese Tatsache machte uns neugierig – endlich schaut jemand ganz genau hin, wo wir seit Jahren versuchen, unsere Erfahrungen in Worte zu fassen.
„Schmerz steckt nicht im Bein – er entsteht im Kopf“
Besonders eindrücklich war sein Vergleich mit einer Öllampe im Auto: Leuchtet sie, kann das viele Ursachen haben – Wackelkontakt, Öl fehlt oder einfach nur ein Kontrollleuchten beim Start. Entscheidend ist nicht die Lampe selbst, sondern wie wir das Signal deuten.
Übertragen auf den Schmerz bedeutet das: Das Signal kommt vom Körper, doch was wir als Schmerz empfinden, entsteht durch die Interpretation unseres Gehirns.
Erleben = Sensorik + Bewertung + Verhalten
Überraschende Forschungsergebnisse
In einer laufenden Studie wurden bereits 60 bis 80 Lipödem-Patientinnen untersucht. Das klare Ergebnis der Messungen:
- Unsere Lipödem-Beine reagieren deutlich empfindlicher auf Druck, die Schmerzschwelle liegt also wesentlich niedriger als bei nicht Betroffenen (Messung mit Druckalgometer).
- Gleichzeitig nehmen wir Vibrationen schwächer wahr (Messung mit Stimmgabel).
- Diese Messungen könnten zukünftig sogar dabei helfen, Lipödem in Zukunft ganz eindeutig und deutlich früher zu diagnostizieren – vielleicht schon mit einer simplen Stimmgabel und einem Druckmessgerät beim Hausarzt.
Für viele von uns war das eine Bestätigung: Unsere Schmerzen sind real und messbar. Es tut gut, das einmal schwarz auf weiß aus der Forschung zu hören.
Praktische Tipps aus der Schmerzforschung
- Eine spezielle Schmerzsprechstunde an der Uniklinik Köln bietet Lipödem-Betroffenen erstmals einen direkten Ansprechpartner.
- Langzeit-Opioide sind keine Lösung – stattdessen wirken psychosoziale Methoden oft nachhaltiger.
- Wichtig: Jede von uns ist die Expertin für den eigenen Schmerz.
Umgang mit Schmerz im Alltag – Methoden von Helene Hucho
Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen führte uns Helene Hucho in die Praxis: Wie können wir selbst mit Schmerz umgehen und uns nicht ausgeliefert fühlen?
PEP – Klopfen gegen Stress und Schmerz
Sie stellte uns die Methode PEP® (nach Dr. Bohne) (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie) vor. Dabei geht es darum, Gedanken, Gefühle und Körperwahrnehmung miteinander zu verbinden.
- Durch Klopfen bestimmter Punkte am Körper (Störung des Stressempfindens) beruhigen wir die Amygdala – das Stresszentrum im Gehirn.
- So können wir in akuten Situationen die Kontrolle zurückgewinnen und unser Schmerzempfinden beeinflussen.
- Besonders schön: Klopfen lässt sich überall anwenden – ob in Stresssituationen, bei Flugangst oder wenn die Schmerzen gerade wieder überhandnehmen.
Positive Gedanken mitnehmen
Helene Hucho zeigte uns außerdem, wie wir negative Gedanken mit positiven Aspekten verknüpfen können.
Ein Beispiel, das viele von uns sehr berührt hat:
„Obwohl das Lipödem belastend ist, weiß ich, was gut für mich ist.“
Mit einer Handbewegung über dem Herzen („Kurbeln“) wird dieser Satz noch stärker im Körper verankert. Viele in der Runde probierten es direkt aus – und spürten sofort einen Unterschied.
Ein Abend voller Erkenntnisse und Zuversicht
Nach zwei intensiven Stunden gingen wir mit einem klaren Gefühl nach Hause:
- Unsere Schmerzen sind real, erforschbar und erklärbar.
- Die neuesten Forschungsergebnisse können zukünftig Lipödem eindeutig nachweisbar machen.
- Wir haben Werkzeuge an der Hand, um unser Erleben aktiv zu beeinflussen.
- Und: Wir sind nicht allein.
Der Abend mit Prof. Dr. Tim und Helene Hucho war nicht nur fachlich spannend, sondern auch unglaublich bestärkend. Beide haben uns mit Wissen, Wertschätzung und praktischen Impulsen beschenkt.
Wir sind dankbar für diesen Austausch und voller Vorfreude auf die weiteren Entwicklungen in der Schmerzforschung.
📧 Wer mehr über die Studien erfahren möchte, kann sich direkt wenden an: schmerzforschung@uk-koeln.de
Euer Team der Selbsthilfegruppe Lily-Leben

